Gesprächsrunde

Entziffern von Inschriften

Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert ließ sich einmal zu der Bemerkung hinreißen, das Erlernen der Muttersprache diene nur dazu, Inschriften auf öffentlichen Springbrunnen entziffern zu können. Diese Aussage darf mit Sicherheit ironisch verstanden werden, denn die Sprache ist unser Fenster zur Welt, mit ihrer Hilfe begreifen und erklären wir die Wirklichkeit. Und Flaubert hat es genauso gehalten.

Am 21. Oktober 2015 besuchte die selbständige Logopädin Kathrin Löhr das Lerncafé der Vielfalt. Sie war bereits zum zweiten Mal da. Sie ist der KITA Sonnenschein durch das Modellprojekt "Frühe Chancen" schon seit mehreren Jahren verbunden. Vor den Eltern berichtete sie wieder anschaulich und informativ über ihre langjährigen Berufserfahrungen. Frau Löhr machte deutlich, worin sich sprachliche Entwicklungsverzögerungen von Kindern äußern können.

Eine kritische Schallmauer ist immer dann durchbrochen, wenn ein Kind im Alter von zwei Jahren noch keine 50 Wörter sprechen kann. Weitere Indikatoren von Entwicklungsverzögerungen sind:

  • undeutliches Artikulieren,
  • Stimmstörungen,
  • zu schnelles Sprechen,
  • Stottern,
  • Sprechangst.

In der lebhaften Diskussion konnten die Eltern ihre Beobachtungen zum Sprachverhalten ihrer Kinder vortragen, sich darüber mit anderen austauschen und von der Logopädin professionelle Hinweise bekommen. Die kindliche Sprachentwicklung verläuft variabel - bei dem einen Kind erweitert sich der Wortschatz frühzeitig, bei dem anderen später. Und so können sich abrupte Entwicklungssprünge und Phasen von scheinbarer Stagnation abwechseln.

Was sind mögliche Ursachen für die sprachlichen Entwicklungsverzögerungen von Kindern? Sie können in der Familie liegen - wenn beispielsweise ein großer ökonomischer, sozialer und damit auch psychischer Druck auf ihr lastet. Einer der wichtigsten Ratschläge von Frau Löhr lautete in diesem Zusammenhang, dass die Eltern immer wieder darum bemüht sein sollten, ihren Kindern im familiären Alltag sprachliche Anregungen zu geben. Gerade vor dem Hintergrund eines zwei- oder mehrsprachigen Aufwachsens empfiehlt es sich, wenn die Eltern im häuslichen Umfeld mit den Kindern in der Familiensprache (z.B. Türkisch oder Arabisch) kommunizieren.

Nach der gelungenen Informations- und Diskussionsveranstaltung begab sich Frau Löhr noch in die Gruppen, um nach einzelnen Kindern zu schauen. Ihr Engagement ist ein positives Beispiel dafür, wie Bildungseinrichtungen und Logopädie zusammenwirken sollten, damit sprachpädagogisches und sprachtherapeutisches Handeln besser aufeinander abgestimmt sind.

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